Musikalisches Katerfrühstück
Mo' Blow erweitern die Klangpalette des Jazzfunk
Clarino - November 2008

Als "Mixtur aus Jazz, Funk und Groove" bezeichnet der Saxophonist Felix F. Falk die Musik von Mo' Blow. Zuvor nannte sich das Quintett SahneFunk. Der Namenswechsel trägt vor allem der Weiterentwicklung der Band Rechnung. Denn aus dem engen Funk-Korsett sind die Musiker längst rausgewachsen. Von dem Energieschub, den ihre neue Klangfusion mit sich bringt, zeugt das Debütalbum "Funkatristic".

Felix F. Falk stammt aus dem mecklenburgischen Neubrandenburg. Aber der künstlerischen Inspiration wegen zog es ihn schon in jungen Jahren nach Berlin. "Am liebsten wäre ich schon während der Schulzeit der musikalische Sogwirkung dieser Stadt gefolgt, drei Wochen nach meinem Abitur habe ich hier dann meine erste Wohnung bezogen.", erzählt der Musiker, der über Umwege zum Saxophon fand; zuvor hatte er Blockflöte und Waldhorn gelernt. "Heute bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mich zu den lustlosen Übungsstunden gedrängt und vor allem die daraus resultierenden Töne ausgehalten haben", erinnert er sich mit einem Lachen. "Als ich dann mit 14 Jahren ein Saxophon in der Hand hatte, schien plötzlich alles wie von selbst zu gehen." Die dazugehörige Jazz-Sozialisation ergab sich durch die väterliche Plattensammlung. "Wenn jeden Sonntag John Mayall & the Bluesbreakers laut durchs Haus schallen - Yeah, das prägt."

Ebenso nachhaltig wirkte 2002 ein Studienaufenthalt im englischen Liverpool. An den Beatles kam dort natürlich auch der junge Austauschstudent nicht vorbei. "Die Fab Four haben grandiose Kompositionen hervorgebracht, für mich sind sie die vielleicht wichtigste Band in der Geschichte der populären Musik", outet sich Felix F. Falk als Fan. "Da finde ich es besonders angenehm, dass die Beatles in Liverpool nicht touristisch konserviert werden; sondern ihre Musik dort wirklich noch lebendig ist. Fast jeder scheint Gitarre zu spielen und auch mal selbst einen Song zu schreiben", gerät er ins Schwärmen. "Musiker genießen ein hohes Ansehen und die meisten Pubs haben einen festen Wochentag mit Live-Musik. Das verschafft der Stadt eine faszinierende Atmosphäre." Nicht zuletzt deshalb habe sich der England-Aufenthalt als künstlerisch so produktiv erwiesen.

Noch jenseits des Ärmelkanals gründete Felix F. Falk den Band-Erstling SahneFunk. Und bis heute schleichen sich musikalische Referenzen an diese Liverpooler Zeit, etwa die eine oder andere Beatlesadaption, in die Live-Programme. Zurück in Berlin, begeisterte Falk für das Nachfolgeprojekt den Bassisten Tobias Fleischer. Dieser hatte ebenfalls in Liverpool, an Paul McCartney's Institute For Performing Arts, studiert. Hinzu stießen der Schlagzeuger André Seidel und Matti Klein am Fender Rhodes. Mit dem britischen Gitarristen Anthony Ormesher bittet der Bandleader außerdem ein Mitglied der Erstbesetzung regelmäßig zu Konzerten und Aufnahmen nach Deutschland.

In der britischen Jazzszene ist Ormesher als mehrfacher Preisträger des "Young Musician of the Year" kein Unbekannter. Felix F. Falk schwärmt von ihm als "atemberaubend", er sei "einer der besten Nachwuchsgitarristen Englands". Am Rande fügt er eine Anekdote hinzu: Ormeshers Vater, seines Zeichens ebenfalls Jazzgitarrist, habe einst John Lennon im berühmten Cavern Club zwei neue Gitarrenakkorde beigebracht.

Felix F. Falk und sein Saxophon bilden das Gravitationszentrum des Quintetts. Die Eigenkompositionen zentrieren sich um die Saxophonstimme herum; mit ihren knackigen Intros und markanten Themen, knappen Breaks und originellen unisono-Teilen. Exakt und straight forward kommt die Musik daher, jedoch erhalten die Spieler in den Soloteilen immer wieder Raum zur improvisatorischen Entfaltung.

Falks Idee von Jazz-Funk sieht so aus: "Die Themen und Grooves sind genau notiert, die Soloteile hingegen möglichst flexibel. Und die Musiker der Rythmusgruppe sorgen mal für einen einheitlichen Beat, dann wieder haben auch sie ihre Soli." Ein eher konventionelles Konzept also, das bei Mo' Blow jedoch in einem postmodernen Klangfarbengewand daherkommt. So nehmen beispielsweise Improvisationen mit der Loopstation einen wichtigen Platz ein. "Seit die berühmte alte Loopstation in einer sehr guten digitalen Ausführung auf dem Markt ist, mache ich bei Live-Auftritten ausgiebig davon Gebrauch", erzählt er. Eine Kostprobe davon ist auf dem Album "Funkatristic" zu hören: der Titel "7xFFF", in dem sich sieben Saxophonstimmen übereinander schichten.

Aber der kernige Quintett-Sound wird auch auf akustischem Wege erweitert. Durch verschiedene Weltmusik- und Perkussionsinstrumente etwa, die Felix F. Falk seiner beständig anwachsenden Sammlung entnimmt. Bei "Count XVII" spinnt er mit dem Didgeridoo einen exotischen Schleier um den Groove. Dem langsamen "Endless Escape" verleiht er mit einer afrikanischen Tontrommel namens Udu eine eigentümlich schwebende Atmosphäre. Kein Wunder, dass die Musiker angesichts der wachsenden stilistischen Vielfalt nicht mehr SahneFunk heißen wollten. "Der alte Name legte uns zu sehr auf eine Musikrichtung fest", erklärt Felix F. Falk. "Obwohl unsere Wurzeln noch immer im Funk liegen, haben wir inzwischen unseren eigenen Weg gefunden." Die Bezeichnung Mo' Blow sei viel treffender, denn sie weise "auf die Energie hin, die in unserer Musik liegt."

Dabei entfernt sich der Wahl-Berliner zunehmend vom abendländischen Konzept des Schönklangs. "Ich habe mich mit der traditionellen afrikanischen Sicht auf den Klang beschäftigt", erklärt er. Dort gelte ein Sound erst dann als schön, wenn er interessante Nebenklänge oder Obertöne enthält. "Das finde ich einen spannenden Ansatz, von dem ich auch etwas in meine Musik zu übertragen versuche."

Bei den Konzerten spielt Felix F. Falk neben Sopran-, Alt- und Baritonsaxophon auch Didgeridoo und verschiedene Perkussionsinstrumente. Das wiederum färbt auf das Saxophonspiel ab, denn auch hier ist Felix F. Falk deutlicher perkussiver zugange als noch zu SahneFunk-Zeiten. Seine Vorbilder sind Joshua Redman und James Carter. "Ich bewundere deren charakteristisch perkussives Spiel. Verschiedene Techniken - Plopp-Sounds, Slap-Töne oder den Einsatz von Obertönen - habe ich übernommen", erläutert der Musiker, der sein Klangideal als einen "energetischen, perkussiven und vollen Sound" beschreibt.

Um das Tenorsaxophon machte Falk bisher einen Bogen. "Alt und Tenor liegen in der Saxophonfamilie wohl am dichtesten zusammen", meint der Musiker. "Ich halte es deswegen für schwierig, auf beiden einen jeweils guten und gleichzeitig individuellen Klang zu entwickeln." Falk arbeitet daher an einer Mischform. "Ich versuche, den erdigen, perkussiven Sounds eines Tenorsaxophons auch auf das Altsaxophon zu übertragen." Andererseits lässt sich die Instrumentenpalette schon aus Zeitgründen nicht beliebig erweitern. "Als Bandleader habe ich so viel Organisatorisches zu tun, dass ich froh bin, wenn ich auf drei Saxophonen meinen Ansatz halte", gesteht der Musiker ein. Seinem "Bari" hat er auf der "Funkatristic"-Platte eine virtuose Funknummer gewidmet: "Somewhere In Sharp Mountain" nimmt Bezug darauf, wie er das Instrument einst in einem Kreuzberger Kellerladen fand.

Auch hinter den anderen Kompositionen stecken kleine Geschichten. "Sorry I'm Late" verweist mit seinem rhythmisch und harmonisch "zu früh" kommenden Thema auf die chronische Unpünktlichkeit der Bandmitglieder. "Therapeutisch war das Stück jedoch ein glatter Misserfolg", gibt Falk lachend zu. Der Titel "Coke & Baked Beans" wiederum ist eine Hommage an eines der unzähligen britischen Katerfrühstücksmenüs. Dabei dürfte dieses knackige Funk-Stück mit seinem fettem Bass nach einer durchzechten Nacht ebenso wieder auf die Beine helfen wie ein voller Teller. Jazzfunk zum Katerfrühstück, das wäre einen Versuch wert. Schließlich kurbeln die energiegeladenen Klänge von Mo'Blow den Kopf an und bringen gleichzeitig Groove in den Körper. (
Antje Rößler)